Zugewinn – Ausgleich Zugewinnausgleich bei landwirtschaft oder forstwirtschaftlichen Betrieben

 

Hofstelle Landshut
Eine Hofstelle bei Landshut

Für die Bewertung des Anfangs und Endvermögens von land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben Zugewinn Landwirtschaft im System des Zugewinnausgleichs gilt das Bewertungs bzw. Landwirtschaftsprivileg gemäß § 1376 Abs. 4 BGB.

Anfangsvermögen Endvermögen

bei Zugewinn Landwirtschaft

Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb, der bei der Berechnung des Anfangsvermögens und des
Endvermögens zu berücksichtigen ist, ist mit dem Ertragswert anzusetzen, wenn der Eigentümer nach § 1378 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen wird und eine Weiterführung oder Wiederaufnahme des Betriebs durch den Eigentümer oder einen Abkömmling erwartet werden kann; die Vorschrift des § 2049 Abs. 2 B
GB ist anzuwenden.

§ 1376 Abs. 4 BGB

Das Bewertungsprivileg gilt auch bei der Erbe von Landgütern nach dem BGB. Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb, der bei der Berechnung des Anfangsvermögens und des Endvermögens zu berücksichtigen ist, wird mit dem Ertragswert angesetzt, wenn der Eigentümer nach § 1378 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen wird und eine Weiterführung oder Wiederaufnahme des Betriebs durch den Eigentümer oder einen Abkömmling erwartet werden kann, die Vorschrift des § 2049 Abs. 2 BGB ist anzuwenden.

Ertragswert

(1) Hat der Erblasser angeordnet, dass einer der Miterben das Recht haben soll, ein zum Nachlass gehörendes Landgut zu übernehmen, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Landgut zu dem Ertragswert angesetzt werden soll.
(2) Der Ertragswert bestimmt sich nach dem Reinertrag, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann.

BGB § 2049 Übernahme eines Landguts

Der Ertragswert bestimmt sich nach dem Reinertrag, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann.

Der Ertragswert land oder forstwirtschaftlicher Betriebe fällt in aller Regel weitaus niedriger aus als der volle wirkliche Wert bzw. Verkehrswert. Ein Zugewinnausgleich auf der Grundlage des Verkehrswerts kann die geschlossene Erhaltung und Fortführung des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs gefährden. Der Ertragswertansatz stellt somit eine Schutzfunktion zur Erhaltung der bäuerlichen Struktur und Landwirtschaft dar.

Im Rahmen einer Gütergemeinschaft ist grundsätzlich der Verkehrs Marktwert für den landwirtschaftlichen Betrieb als Wertansatz für das Anfangs- und Endvermögen anzusetzen. Soweit im Ehevertrag ausdrücklich nichts anderes vereinbart ist.
Bei der Wertermittlung folgende Prinzipien des Zugewinn in Landwirtschaft maßgebend:

Hofstelle Niedergeiselbach Lengdorf
Hofstelle Niedergeiselbach Lengdorf
  • 1. Verkehrswertprinzip Marktwertprinzip Ausnahme, Ertragswert nach § 1376 BGB
  • 2. Vorsichtsprinzip
  • 3. Methodenprinzip
  • 4. Abgrenzungsprinzip

Bei der Ertragswertermittlung nach § 2049 BGB darf im Unterschied zur allgemeinen Immobilienbewertung nach ImmoWertV nicht das Ertragsverfahren nach den §§ 27 bis 34 ImmoWertV angewendet werden. Der Ertragswert nach ImmoWertV soll bei Ansatz marktkonformer Daten unter Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale direkt zum Verkehrs-/Marktwert führen.

Dagegen ist der Ertragswert nach § 2049 BGB nicht mit dem Verkehrs-/Marktwert gleichzusetzen.

Der Ertragswert im Sinne des § 2049 Abs. 2 BGB basiert auf betriebswirtschaftlich ermittelten Jahresabschlüssen der Deckungsbeitragsmethode, der sonstigen betrieblichen Erträge und der Festkostenermittlung. Ausgehend vom Roheinkommen unter Berücksichtigung des Lohnanspruchs des Betriebsleiters und seiner mitarbeitenden nicht entlohnten Familienangehörigen ergibt sich der Reinertrag.

Der Reinertrag multipliziert mit dem landesrechtlichen Vervielfältiger ergibt den Ertragswert nach § 2049 BGB.

Landesrecht

Nach Art. 137 EGBGB i.V.m. § 1376 Abs. 4 und § 2049 BGB sind landesrechtliche Vorschriften zur
Ermittlung des Ertragswerts zu beachten.

Entsprechendes gilt im Übrigen in den Fällen des

Multiplikatoren Vervielfältiger des Reinertrags

nach § 2049 BGB

Bundesländer MultiplikatorVervielfältiger Multiplikator
Baden-Württemberg ab 197418
Württembergisches Anerbengesetz10
Bayern ab 198218
Hessen ab 198425
Nordrhein-Westfalen25
Rheinland-Pfalz ab 197625
Saarland25
Oldenburgische Gebiete (Birkenfeld)
Niedersachsen ab 197617
Schleswig-Holstein
Bremen
Bremen HöfeG25
Hamburg
Sachsen ab 1976
Thüringen ab 1976
Sachsen-Anhalt ab 1976
Brandenburg ab 1976
Mecklenburg-Vorpommern ab 1976
Berlin West25

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 16.10.1984 die Eigentümer derartiger land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gesehen, bei denen die Anwendung des Ertragswerts als Bewertungsmaßstab zu einer

„unverhältnismäßigen Verschiebung der Opfergrenze zu Lasten des anderen Ehegatten führt“

BVerfG, Beschl. vom 16.10.1984 – 1 BvL 17/801 BvL 17/80 –, BVerfGE 67, 348 = EzGuG 20.107b

da „ausnahmslos der Ertragswert den Bewertungsmaßstab bildet“, auch wenn dies nicht zur Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien begründet ist. Das Gericht führt als Beispiel den Fall an.

„dass das landwirtschaftliche Vermögen im Wesentlichen nur noch aus dem Grund und Boden besteht,
der im Wege der Verpachtung wirtschaftlich genutzt wird, und wenn bei realistischer Betrachtungsweise keine
Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Eigentümer oder seine Abkömmlinge den Hof in Zukunft wieder
bewirtschaften könnten.

BVerfG, Beschl. vom 16.10.1984 – 1 BvL 17/801 BvL 17/80 –, BVerfGE 67, 348 = EzGuG 20.107b

In einem derartigen Fall hält das Gericht die allgemeinen Bestimmungen der §§ 1381 und 1382 BGB für ausreichend, um Härten zu vermeiden.

Das BVerfG hat in einem weiteren Beschluss8 die von ihm genannte Opfergrenze gezogen:

es darum geht, die Zerschlagung des Betriebs im Interesse des Ehepartners oder der Kinder zu
vermeiden

BVerfG, Beschl. vom 16.10.1984 – 1 BvL 17/801 BvL 17/80 –, BVerfGE 67, 348 = EzGuG 20.107b

. Die Berücksichtigung entfernterer Verwandter überschreite dagegen die Opfergrenze.

Schutzwürdiger Betrieb

Die geltende Fassung des § 1376 Abs. 4 BGB soll das eigentliche Ziel des § 1376 Abs. 4 BGB verdeutlichen, nämlich die Erhaltung schutzwürdiger Betriebe.

LandguteigenschaftLeistungsfähigkeit Betriebsfortführung
AlleineigentumGewinnerwirtschaftungDauerhaft
Landwirtschaftgesicherte Betriebsexistenzfachliche Führungskompetenz
Wohn- und
Wirtschaftsgebäude
Keine Hobby geführte LandwirtschaftGesichertes Betriebskonzept
Größe Umfang des Landgutes
NebenerwerbsbetriebDie Landwirtschaft liefert den wesentlicher
Einkommensbeitrag.
Vorübergehende zeitweilige VerpachtungEs muss ein Abkömling “absehbar sein”
Schutzwürdiger Betrieb

Die geltende Regelung sieht für das Bewertungsprivileg, die Anwendung des Ertragswerts, eine mehrfache Einschränkung vor:

  • Der Eigentümer eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs muss auf Zugewinnausgleich in Anspruch genommen werden; denn nur in diesem Fall besteht die Gefahr einer Betriebszerschlagung durch die Ausgleichsforderung. Ist der Eigentümer selbst Gläubiger der Ausgleichsforderung, besteht kein Grund, seinen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb anders zu behandeln als sonstiges Vermögen.
  • Die künftige land- und forstwirtschaftliche Nutzung des Betriebs muss erwartet werden können.
  • Die Weiterführung oder Wiederaufnahme des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs muss nicht nur – an sich – gesichert, sondern gerade von dem derzeitigen Eigentümer oder seinen Abkömmlingen erwartet werden können, das Alleineigentum einer natürlichen Person.

Zugewinnermittlung Beispiel Bayern

Zugewinn Landwirtschaft

StichtagPositionFaktor
Multiplikator
Verfielfältiger
Wertermittlungsstichtag 1Eigentum Reinertrag p.A.
37.000 €x18666.000 €
Pachtfläche
150 €x8,61.290 €
Gesamt Ertragswert:667.290 €
Ertragswert gerundet:667.000 €
Wertermittlungsstichtag 2Eigentum
41.000 €x18738.000 €
Pachtfläche
8.000 €x7,862.400 €
Gesamt Ertragswert:800.400 €
Ertragswert gerundet:800.000
Berechnung Anfangsvermögen Endvermögen

In Bayern betragt der Ertragswert bei einem Zinssatz von 5,5 % das 18fache des jährlichen Reinertrags der Eigentumsflachen. Für die Pachtflachen kommt aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit der Flachen ein Vervielfältiger zum Ansatz. Für eine Pachtflache wurde die tatsachliche Restpachtdauer von 12 Jahren zum Stichtag 1 angesetzt. Daraus ergibt sich ein Vervielfältiger von 8,6. Die Restpachtdauer zum Wertstichtag 2 wird ein Vervielfältiger von 7,8 ermittelt

Ergebnis der Berechnung:
Der Ertragswert für den landwirtschaftlichen Betrieb beträgt nach § 2049 BGB:
zu Wertermittlungsstichtag 1 gerundet 667.000 €
zu Wertermittlungsstichtag 2 gerundet 800 000 €.
Zur Ermittlung des Zugewinns ist der Ertragswert des Anfangsvermögens auf den Stichtag des Endvermögens
zu indexieren.
Nach erfolgter indexierung des zu Wertermittlungsstichtag 1 auf den Stichtag zu Wertermittlungsstichtag 2 wird die Differenz gebildet, der Zugewinn in der Landwirtschaft.

Steuern latente Steuern

Die Bewertung und Berechnung gehört in den Sachbereich Steuerberatung und Wirtschaftsprüfer, nicht in den Wirkungsbereich eines landwirtschaftlichen Sachverständigen.

Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb, der dem Betriebsvermögen zuzuordnen ist, mit dem vollen, wirklichen Wert Verkehrs Marktwert anzusetzen ist, ist eine latente Steuerlast zu berücksichtigen. Der Steuersatz bemisst sich nach den maßgebenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen zum Bewertungsstichtag. Der BGH stellt dabei auf den Wert ab, der bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, unabhängig von einer Veräußerungsabsicht eines fiktiven Verkauf. Es stellt sich die Frage, ob die latente Ertragssteuerlast auch beim ermittelten Ertragswert nach § 2049 BGB zu berücksichtigen ist.

Da der Ertragswert nach § 2049 BGB i.d.R. deutlich niedriger als der Verkehrswert ist und sich nicht am Veräußerungswert, sondern an gesetzlichen Vorgaben orientiert, ist zumindest aus fachlicher Sicht der Ansatz der latenten Ertragssteuerlast nicht gerechtfertigt. Auch ist zu bedenken, dass der Ertragswert nach § 2049 BGB nicht eine fiktive Veräußerung zugrunde legt, sondern von einer Fortführung des Betriebs ausgeht. Bei einer Betriebsfortführung fallen keine Ertragssteuern an. Es wird in der Bewertung davon ausgegangen, dass bei Ausschluss der Veräußerungsfiktion keine latenten Ertragssteuern abzuziehen sind.

Rechtsgrundlagen

  • § 1376 Wertermittlung des Anfangs- und Endvermögens
  • § 1377 Verzeichnis des Anfangsvermögens
  • § 1378 Ausgleichsforderung
  • § 1379 Auskunftspflicht
  • § 1380 Anrechnung von Vorausempfängen
  • § 1381 Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit
  • § 1384 Berechnungszeitpunkt des Zugewinns und Höhe der Ausgleichsforderung bei Scheidung
  • § 1385 Vorzeitiger Zugewinnausgleich des ausgleichsberechtigten Ehegatten bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft
  • § 1386 Vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft
  • § 1387 Berechnungszeitpunkt des Zugewinns und Höhe der Ausgleichsforderung bei vorzeitigem Ausgleich oder vorzeitiger Aufhebung

    Michael Schönherr-Meixner
    Mainburgerstr. 11
    85356 Freising
    (Eingang Alois Steineckerstr.)

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